Image Match – Tagungsbericht [text]
:: tagungsbericht | 1007 | 12 s. pdf | gemeinsam mit Martina BalevaTagungsbericht »Junges Forum für Bildwissenschaft. 2010« (Martina Baleva | oliver lerone schultz)
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Visueller Transfer, »Imagescapes« und Intervisualität in globalen Bildkulturen Junges Forum für Bildwissenschaft V
Tagung der interdisziplinären Arbeitsgruppe »Bildkulturen« der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
9. bis 11. Juni 2010
Vom 9. bis zum 11. Juni fand zum fünften Mal das Junge Forum für Bildwissenschaften der interdisziplinären Arbeitsgruppe »Bildkulturen« an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften statt. Diese Tagung setzte 2010 die im Jahr 2006 begründete Veranstaltungsreihe fort. Wissenschaftlich konzipiert und organisiert wurde die diesjährige Tagung von Martina Baleva (Kunstgeschichte, Berlin), Ingeborg Reichle (Kunstwissenschaft, Berlin) und Oliver Lerone Schultz (Philosophie, Berlin). Der von Oliver Lerone Schultz formulierte call for paper für das Junge Forum für Bildwissenschaften 2010 stellte die Frage nach der Neubestimmung einer Bildwissenschaft unter den Bedingungen von Globa- lisierung und eines massenhaften Bildtransfers zwischen unterschiedlichen Bild- kulturen. dabei sollten Erscheinungsformen und -logiken des Austauschs von Bildern versammelt werden, um diese vor dem Hintergrund ihrer heterogenen Kulturalität und im Lichte neuer kulturwissenschaftlicher Begrifflichkeiten wie »Intervisualität« und »Imagescapes« in ihrer Bedeutung zu diskutieren. Zuletzt wurde die Frage nach der Notwendigkeit neuer Bildtheorien, Terminologien und Methoden für die Analyse von Bildern und der sie hervorbringenden und tragenden Kulturen gestellt.
Die insgesamt vierzehn eingeladenen Referentinnen und Referenten umfassten ein Spektrum an Disziplinen, das von der Philosophie und Soziologie über die Kunst- und Kulturwissenschaften bis hin zur Kommunikationstheorie und Archi- tekturgeschichte reichte.
Zu Beginn des Forums führte Christoph Janke (ueberdose.de >) die Teilnehmer rund um die Schlesische Straße (Berlin-Kreuzberg) beispielhaft in Erscheinungsformen und Praktiken der Streetart ein und präsentierte mit streetfiles.com > ein globales Online-Bildarchiv der Graffiti-Szene als Beispiel einer selbstgenerierten Selbst- Dokumentation und Kommunikationsplattform.
Danach ging das Junge Forum in Klausur: eröffnet wurde die Tagung von…
[…]
… Horizonte
Deutlich wurde quer durch verschiedene Beiträge, dass neue Konjunkturen in der Ausweitung der Bildräume im Zuge historischer Globalisierungsschübe auch zu einem neuen »conceptual space« in allen bildwissenschaftlichen Diskursen führen. Diese bringen in je neuer Weise Bildwissenschaften und ähnliche die Disziplinen erweiternden und verbindenden Anstrengungen hervor. An verschiedenen Stellen der Diskussion wurde deutlich, dass eine globale Verfügbarkeit durch die Möglichkeiten der reproduktiven Dokumentation von Bildern natürlich selbst beschleunigend und verstärkend auf die Ausprägung der »Imagescapes« zurückwirkt, und als eigenständiger neuer Faktor in der Ausbildung von Bildrepertoirs und neuen Bildgrammatiken zu berücksichtigen ist. Auch konnten offensichtliche Parallelen hergestellt werden zwischen den Möglichkeiten der Dokumentation globaler Bildkulturen, wie sie mit der Verbreitung der Fotografie bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts im Hinblick auf Bildarchive mit globalem Anspruch wirksam wurden, und den Möglichkeiten und Wirkungen, die das In- ternet und seine global zugänglichen Imagepools für die Praxis haben, etwa bei der Verhandlung des Bildrepertoirs und der Bildproduktion in Streetart/Graffitikulturen. Im Falle verschiedener Jugendbildkulturen, wie der sogenannten Viso- Kultur oder dem Transfer zentraler Elemente der christlichen Hochzeits-Motivik sind Rückübertragungen aus dem globalen Mediensystem entscheidende Kulturtreiber.
Neben dem angesprochenen Kontrast zwischen einem wissenschaftlichen Versuch der Begründung einer Bildwissenschaft, die die neuen Mengen und global sich zeigenden Typologien von Bildbeständen und -domänen klassifikatorisch erweitern und reduktionistisch erklärend umfassen will (Basu), und einer postmodernen oder »hyperkulturellen« Form der eklektischen oder pop-kulturellen Entlehnung, Inkorporierung und Umdeutung von Bildern wurden in ersten Ansätzen auch Fragen diskutiert nach der spezifischen Ethik einer globalen Beschreibung intervisueller Phänomene. In diesen Raum schreiben sich scheinbar neutral die »operativen Bilder« ein, welche die mit »Globalisierung« beschriebenen Prozesse zu einem guten Teil selbst mit ausdrücken und gleichzeitig auch mit konstituieren (Lim). Die Frage nach einer Ethik der globalen Bilderlandschaften stellt sich dort, wo die bildproduzierenden Akteure selbst daran gehen, den scheinbar übergreifenden und unübersehbaren Zusammenhang der Globalisierung in seiner Allgegenwärtigkeit samt seiner problematischen Ausformungen abzubilden. Hier geht die Problematisierung der ethik bildkultureller Transfers direkt ein in die Frage nach einer neuen Methode und einem neuen Verständnis der Abbildung selbst, wenn etwa von »Krise der Repräsentation«, von »Cognitive Visioning« (Schultz) oder Eklektizismus (Birken) die Rede ist. Auch die Frage der Positionalität der Akteure schreibt sich hier unmittelbar in die Bildensembles und ihre Anordnungen ein: ein Aspekt, der mehr als deutlich wurde, wenn es um die Verschiebungen der fotografischen Motivsprache in den Fotografien moderner israelischer Künstler (Radjai) oder die Mashup-Videos der Youtube-Kultur mit ihren teilweise verschwörungstheoretisch motivierten Bildästhetiken ging (Eugster). Ex negativo zeigten sich Fragen nach der Bedeutung einer Ethik in den Bildhybriden dort, wo diese expliziter Teil der Kriegsführung mit zivilen Mitteln, nämlich denen der kulturellen Bildmontage werden, so etwa in den Presseillustrationen zum russisch-osmanischen Krieg von 1877/78 (Baleva). Nicht zuletzt werden im Zuge neuer Fusionierungen bestehender kultureller und medialer Bildsprachen Grundzüge der Bildlichkeit, etwa ihr dokumentarischer Effekt (Baleva, Radjai, Schultz) oder vermeintlich exotische Grenzdemarkationen (Baleva, Birken, Radjai, Rass) neu verhandelt und bestimmt.
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