Ikonizität – Motivation – Relevanz (in zeichentheoretischer Perspektive) [text]

:: Thesenpapier | 1998

Thesenpapier „Ikonizität“ (Schwerpunkt Sonesson)

Durch die an der Sprache/Linguistik orientierten Strömungen innerhalb der Philosophie (und anderer «Geistes«wissenschaften) - v.a. Strukturalismus + Poststrukturalismus - verliert das Bild und in diesem Zuge auch das »ikonische Zeichen seinen universellen, quasi-ontologischen Charakter. Mit dem Bildbegriff im allgemeinen wird der des »ikonischen Zeichens« einer Kritik (Revision) unterworfen. Der entscheidende systematische Kern der Debatte liegt beim Begriff der »Ähnlichkeit«.
Vor allem sind hier Eco und Goodman zu nennen. Ihre Ansätze machen sowohl eine Revision der quasi-metaphysischen Stellung des Bildes notwendig als sie auch gleichzeitig auf dem Boden ihrer Begriffe keine Möglichkeit mehr zulassen, einen revisionierten Begriff des ikonischen Zeichens sinnvoll zu bestimmen. Beide sind vor allem motiviert durch die Ablehnung einer Ähnlichkeitsbeziehung, die außerhalb des Signifikationsprozesses steht. Die Ablehnung einer an dem Ideal der »Identität« in einer außersemiotisch verstandenen Welt schlägt hier um in die Vorstellung einer immer im Nachhinein (Zeichenintern) konstruierten Ȁhnlichkeit«. Hier zeigt sich schon eine tiefere Diskussion um den Charakter des Zeichens, denn die Ȁhnlichkeit« changiert im Laufe der Diskussion ihre Position . Wird sie einmal als Ähnlichkeit zwischen einem »Zeichen« (einer Zeichenrelation) und einem »Gegenstand« an sich aufgefasst, bezieht sie sich bei ihren Kritikern (zumeist) auf eine Beziehung zwischen Referent (als Teil der Zeichenfunktion) und Zeichenausdruck (oder Repräsentamen o.ä.). Die Kritik ist jedoch wesentlich eine Kritik an einer statischen Identitätsauffassung jenseits der Signifikation. Insofern argumentieren Goodman/Eco gegen einen naiven philosophischen Standpunkt. Die Frage inwieweit diese Kritik auch eine Theorie der konstitutiven Expressivität der Signifikation (einer Philosophie der Produktivität, der Kreation) trifft, die an einer Motivationsbeziehung zwischen den Bereichen des Nicht- Zeichenhaften und des Zeichens festhält ist offen. (Ãœberhaupt ist die Kritik an den ikonischen Zeichen auch immer eine Kritik an der Motivation des Semiotischen.) Während Peirce z.B. innerhalb der Zeichenrelation eine tendenzielle Verschmelzung Objekt/Referent + Repräsentamen/Ausdruck gegenüber dem Interpretanten in der Zeichenrelation vornimmt, findet sich demgegenüber bei Saussure/Hjelmsev der bestimmende Pol in einer Verschmelzung von Ausdruck + Interpretant im Rahmen der Zeichenrelation. Diese zwei Grundpositionen entsprechen verschiedenen Standpunkten in den Diskussionen Determination gg. Arbitrarität des Zeichens bzw. .»Eindruck/Konstruktion von Ähnlichkeit« gg. »objektive Ähnlichkeit« Auch Sonesson sieht hier, daß die Frage der »natürlichen Zeichen« - deren Präsenz im Mittelbegriff der »Ikon.Z.« ein Grund für deren Ablehnung darstellt - direkt verbunden (teilweise deckungsgleich) ist mit der Frage nach der »Motivation« von Zeichen (Sonesson 1989 : 215). Eine Philosophie des»motivierten Ausdrucks«, die auch den Kausalitätsbegriff erweitert, könnte hier eine Alternative bilden: “Wir aber setzen hier nicht einem inneren Verstandeslicht eine Ordnung der Dinge an sich entgegen, in die sie nie eindringen könnte. Es kann nicht darum gehen, die Passivität auf ein Transzendentes und eine immanente Denktätigkeit abzustimmen. Vielmehr geht es darum, die eng zusammenhängenden Begriffe des Aktiven und des Passiven neu zu fassen, und zwar derart, daß sie uns nicht in die Antinomie führen, daß auf der einen Seite eine Philosophie steht, die zwar das Sein und die Wahrheit, nicht aber die Welt berücksichtigt, und auf der anderen Seite eine Philosophie, die zwar die Welt berücksichtigt, uns aber dem Sein und der Wahrheit entwurzelt.” (Merleau-Ponty 1986 : 66) Zugleich verläuft eine parallele Argumentationslinielinie der Kritiker des »ikon. Z.« entlang der Behauptung, daß keine Ähnlichkeit der Zeichen als type mit dem »Gegenstand« als type besteht; dies ist aber per se nicht möglich wenn der Begriff »Zeichen« Zeichen von Nicht-Zeichen in sinnvollerweise unterscheiden soll (s. Sonesson 1989 : 218) Der Begriff des »ikonischen Zeichens« ist immer verbunden mit einer bestimmten »Zeichentypologie«. Diese Zeichentypologie überschreibt aber - nicht immer hilfreich - den Prozeß fortschreitender Stilisierung/Verfestigung/Präperierung von Zeichen. Der Zeichentypologie hinterliegt dabei immer eine stillschweigende Ontologie (der Gegenstandswelt oder der Kausalitätstypen) Am bekanntesten ist die Einordnung »ikonischer Zeichen« im Rahmen einer Typologie durch Peirce . Bei ihm ist beides (Kausalitäts- als auch Gegenstandsontologie) auffindbar. »Ikonische Zeichen« unterscheiden sich hier von »indexikalischen« bzw. »symbolischen« durch ihre Ähnlichkeit hinsichtlich ihrer internen Qualitäten/Relationen (also der Art ihrer kausalen Verursachung) mit dem Gegenstand - »indexikalische« haben eine Kontiguitätsbeziehung; »symbolische« eine Konventionsbeziehung; intern unterscheidet Peirce die »ikon. Z.« durch die jeweilige Art ihres Gegenstandsbezugs (der wiederum eine Gegenstandsontologie impliziert): 1) einfache Qualitäten (Image) 2) interne Relation (Diagramm) 3) Hervorhebg representative character eines Ggstds/Zeichens (Metapher)
Die Frage nach anderen Kausalitätstypen (»Motivation«) und anderen Formen der Ȁhnlichkeit« zwischen »Zeichen« und »Zeichengegenstand« (»Metapher«) kommt hier ins Spiel (Sonesson 1989 : 213) Die Rolle des »ikonischen« als Etappe im Prozeß der zunehmenden Zeichen-/Symbol- Stilisierung ist außerhalb aller philosophischen Debatten in verschiedenen Bereichen aufgewiesen. So innerhalb der Repräsentationsdebatte in der Kognitionswissenschaft, in der Entwicklungspsychologie u.a.. Auch im Bereich der Entwicklung kultureller Zeichensysteme, um nur ein Beispiel zu nehmen, finden sich starke Hinweise für die Unumgehbarkeit dieses Bereiches. Aboriginale australische Zeichensysteme sind ein System von Zeichen, die ikonische Symbole mit graduell zunehmend schematisierten Zeichenelementen verbindet. Verschiedene Zwischenformen entstehen, die diesen Prozeß zunehmender Schematisierung nachvollziehbar erkennen lassen. [Bild 1-4]: “It is the features of the species themselves that provide the primary external impetus for the form taken by the designs… The basis for the design forms - their iconic, representational aspect - provides an independent dynamic for the elaboration of design categories that is not directly bound to the classification of the social system… In the Walbiri designs, on the contrary, the bond between the design forms and sense experience is central for there is no systematic subordination of the iconic element to a second abstract ordering system. Thus selected qualities of the phenomenal world, transposed into the simple linear forms of the graphs, are of primary significance in the dynamics of design formation.” (Munn 1986 : 177) Insofern »ikonische Zeichen« die Brücke zwischen Wahrnehmung und Zeichensystem markieren (s. Sonesson 1989 :202) findet die Debatte um »Ikonizität« im Raum semiotisch re-formulierter aber althergebrachter Dualismen (zw. Körper/Geist, Natur/Kultur, Sinne/Sinn…) statt - wie auch im bezug auf nicht-semiot. Bereich fallen ganze (»Zeichen«-)Bereiche zwischen dieser dualisierten Beschreibunggsweise durch (Schmerz -> Schrei. Coseriu 1977 in: Sonesson 1989; s.a. hierzu Wittgenstein;) Insofern die Frage nach der Ȁhnlichkeit« auf den medialen Bezugsrahmen verweist, stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang von »Ikonizität« und »Verkörperung«/»medialer Materialität«. Auch die Tatsache, daß »Ikonizität« eine intermediales Phänomen ist - der Begriff verweist neben der visuellen Ähnlichkeit auf eine Reihe anderer Bereiche bis hin zu »ikonischer Syntax, Rhythmik in der Poetik u.a. (s. Brogan 1993) - wirft die Frage nach seinem Medium - welches ein »intermediales Medium« sein müßte - auf. Diese Fragen führen bei Peirce u.a. zu der Suche nach dem »ground of representaiotn «(S. Sonesson 1989 : 206), die wiederum verbunden ist mit der Frage nach dem »potential sign vehicle« (Bruss 1978; Sonesson 1989 : 207) und einem »principle of relevance«, das in der Lage ist die Ȁhnlichkeitsaspekte« zu bestimmen, die ein Zeichen in einem bestimmten Zusammenhang zu einem »ikon. Z.« machen. Bei Peirce führt dieser Problemkreis auch zu einer Spaltung von »dynamic object« (Weltobjekt) + »immediate object« (Zeichenobjekt), wobei auch Peirce vom körperlichen Seinsprimat (der Vertrautheit im Umgang mit dem »dynamischen Objekt«) auszugehen scheint.
Diese Fragen stehen in Verbindung mit dem Charakter der »global properties«, die allein die Attribuierung einer »Ähnlickeit« »ikon. Z.« mit einer Zeichenäußerlichkeit rechtfertigen könnten. Hier steht die Anbindg einer vor-symbolischen Realität an die Realität im Rahmen des »Körperlichen« zur Disposition: „It also leaves us wondering why things are not seen as signs of outline drawings, as well as the converse. It is clear, however, that it is only according to a particular principle of relevance that there is an identity of things and outline drawings; but there is some indication that this principle of relevance may be embodied in our biological organism, just like the interpretational rules of facial displays (cf. above). In this, we differ from certain animals“ (Sonesson 1989 : 218) Phänomene wie Gestik, Mimik usw. die einen Zwischenstatus zwischen »Anzeichen« und »Ikon. Z.« fristen deuten auf dieselbe Problematik. Sonesson stützt sich auf Merleau-Pontys Überzeugung, daß in diesen Fällen gilt: „Bodily expression is, rather than just has, a meaning.“ (Sonesson 1989 : 215) [Hier fehlt alldgs. ein weitergehendes Verständnis von »Ausdruck« und »Medialität«, so daß diese Punkte hier noch auf rein unmittelbaren körperlichen Ausdruck beschränkt gedacht werden.] Sonesson stößt im Rahmen »natürl. Zeichen«/»Motivatn« auch auf den Beriff der »Ritualisierung« als »motivierte Abbildung (aktiv), die jenseits der (klassischen) Frage der »Ähnlichkeit« situiert ist. Aus einer objektiven, determiniertn Beziehung der (partikulären) Identität, wird eine gezogene, Male des Abbildungsvorgangs tragende (»exaggeration/modfication), - also artikulierte - Spur von Agenten/Individuen (Eibl-Eibesfeldt 1979). Hierbei handelt es sich um die körperlichen Agenten der Biologie oder der Kulturanthropologie,

Literatur


Brogan, T.V.F. (1993) - Iconicity. In: Preminger, Alex/Brogan, T.V.F.(Hg.). The New Princeton Encyclopedia of Poetry and Poetics. Princeton University Press. Princeton/N.J. (S.552)

Eco, Umberto (1993) - Zeichen - Einführung in einen Begriff und seine Geschichte. Suhrkamp (es 895), Franfkfurt am Main

Goodman, Nelson (1984) - Weisen der Welterzeugung. Suhrkamp. Frankfurt a.M.

Goodman, Nelson/Elgin, Catherine Z. (1993) - Revisionen. Suhrkamp (stw 1050). Frankfurt a.M. Bobbs-Merril. Indianapolis.

Merleau-Ponty, Maurice (1986) - Das Sichtbare und das Unsichtbare - gefolgt von Arbeitsnotizen. Wilhelm Fink. Stuttgart. (franz. orig. 1964)

Munn, Nancy D. (1986) - Walbiri Iconography. Graphic Representation and Cultural Symbolism in a Central Australian Society. University of Chicago Press. Chicago, London.

Sonesson, Göran (1996) - ” Pictorial Semiotics. The state of the art at the beginning of the nineties.” Internet Resource: goran.sonesson@artnew.lu.se Last updated 1996-01-05

Sonesson, Göran (1989) - Pictorial Semiotics - Inquiries into the Semiotic Heritage and its Relevance for the Analysis of the Visual World. Lund University Press. Malmö.